Hans Rudolf Reust

Bob Gramsma - Non-Stop nach -, 0/#0486

Ganz am Ende der Ausstellung führt ein schmaler Durchgang zum Einstieg. Ein plissierter Vorhang, wie zwischen Business- und Economy Class, trennt uns von einer Techno-Höhle, die sich plötzlich weitet: Das kathedralenartige und doch auf den letzten Zentimeter eng berechnete Längsschiff eines Grossraumjets wirkt ohne Bestuhlung vertraut und äusserst fremd zugleich, in seiner Leere wie ein Phantom oder eine Attrappe. Folgt der Blick den Gepäckablagen overhead, sieht er sich abrupt gezwungen, abzubiegen, dort wo die Seitenwand unverhofft in eine Stirnwand übergeht, welche die Raumflucht beendet, vorzeitig verschliesst. Wo sich gewöhnlich die Sitzreichen und Gänge fortsetzen bis zum Cockpit, hat Bob Gramsma eine dritte Seitenwand mit Luken und Sonnenblenden eingebaut, und damit den bekannten Raum leicht weiter ins Surreale verschoben. Wer zudem wüsste, dass es sich um den Passagierraum einer MD 11 handelt, würde noch etwas länger in einer vertieften Schocksekunde innehalten, um sich im abbrechenden Innenraum an den Absturz einer Maschine gleichen Typs ins Meer vor Halifax zu erinnern. Dabei lassen Materialien und Details, die industrielle Präzision der Arbeit, keinen Zweifel an der Tatsächlichkeit des Einbaus.

Flugzeugkabinen sind Transiträume, schwer zu ortende Behälter zwischen Abflug und Ankunft, statische Bezugssysteme für ungebundene, seltsam abstrakte Stunden unterwegs und einen Aufenthalt im euklidischen Raum, den nur die auf dem Bildschirm flimmernde Weltkarte und eine Angabe über die Aussentemperatur noch lose an den Rest der Wirklichkeit bindet. Das endlos lange Stillsitzen in der fliegenden Zelle nimmt die ultimative Statik vorweg, mit der rein virtuell Reisende in einer techno-utopischen Zukunft sich die Ortsverschiebungen vor Ort, unbewegt durch Prothesen der Apparatur für alle Sinne simulieren lassen. Falls sich damit dann wirklich ein Genussmoment verbindet...

Auch ohne das ungelenke Schwanken auf dem Luftstrom, diese Kabine ist real gebaut und entfaltet ihre Wirkung unmittelbar am Körper, nicht allein über das Auge, wie ein leichthin mögliches Paste-In im Photoshop. Diesen Raum gibt es mit jeder körperlichen Gewissheit. Er ist nicht mehr wegzudenken aus der langen Reihe aller Räume, die wir schon physisch durchquert haben. Bob Gramsma durchzieht die weitgehende Neutralität und die bühnenhafte Unwirklichkeit von White Cubes mit einem verzweigten Netz gebauter Gänge und Zwischenräume, die ihren eigenen Ort schaffen, nahe genug beim Realen wie beim Traum gelegen, um auch Alpträume ernsthaft aufkommen zu lassen. Transit führt bei seinen Arbeiten in eine weite Zone zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Die Geschichten, welche diese Räume auslösen, können intim sein oder aus kollektiver Erfahrung stammen. Sie bleiben, sich verzweigend, immer anders zu erzählen.